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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

[Offene] Geheimnisse / Projektbeschreibung

Von den (Un-)Möglichkeiten des Ausstellens geheimen Wissens

von Indra Lopez Velasco

In den Depots ethnologischer Museen lagern in großer Zahl sakrale und geheime Objekte. In ihren Herkunftsregionen dürfen diese oftmals nur von bestimmten Personen in spezifischen Situationen gesehen und berührt werden, und der Zugang zu manchen dieser Objekte unterliegt strengen Restriktionen. Die Frage, wie ethnologische Museen heute mit sakralen und geheimen Gegenständen in ihren Sammlungen umgehen können, stand am Anfang des Projekts „[Offene] Geheimnisse“.

Die Komplexität der Auseinandersetzung mit der Thematik sakral/profan zeigt sich bereits in der Bezeichnung der „sakralen Objekte“: Manche besitzen den Status von Personen, sodass die Bezeichnung als „Objekt“ unpassend ist und als verletzend empfunden werden kann. Auch der Eingang in die museale Praxis verändert die „Gegenstände“ auf unterschiedliche Weise: Ihre Bedeutung kann sich wandeln, verloren gehen oder fortbestehen.

Eine ausführliche Recherche während der Ausstellungsvorbereitung zeigte, dass sich schon die ersten ethnologischen Museen zumindest stellenweise der Komplexität und Sensibilität der Aufgabe bewusst waren. Dies verdeutlicht etwa der um 1900 erschienene, in der Ausstellung „[Offene] Geheimnisse“ präsentierte Museumsführer des Museum of Victoria, „Guide to the Australian ethnographical collection in the National Museum of Victoria“. Das Bewusstsein der Problematik hat sich jedoch bis heute nicht oder nicht ausreichend in einer Art und Weise der Ausstellungspraxis niedergeschlagen, die als respektvoll und angemessen betrachtet werden kann.

„[Offene] Geheimnisse“ wollte erkunden, ob es überhaupt möglich ist, sich dem Sakralen in ethnologischen Museen anzunehmen. Wir verstanden dabei die Grenzen zwischen profan und sakral als fließend, situationsabhängig, zeitgebunden und politisch. Durch diesen konstruktivistischen Ansatz sollte nicht der besondere Charakter des Sakralen geleugnet, sondern nach Ausstellungsmöglichkeiten gesucht werden, die den unterschiedlichen Sichtweisen Rechnung tragen.

Experimentelle Annäherungen

Die Ausstellung „[Offene] Geheimnisse“ war in die Regionalbereiche Zentralaustralien und Sepik-Region, Neuguinea, unterteilt. Aus der Sepik-Region wurden Musikinstrumente gezeigt bzw. nicht gezeigt, deren Klänge die Stimmen und Gesänge der Ahnen verkörperten. Die Instrumente fanden ursprünglich in geheimen Zeremonien Verwendung. Die Initianden erlangten in diesen Zeremonien stufenweise Zugang zu den Instrumenten, die sie – vereinfacht beschrieben – zunächst nur hören, dann im Gebrauch sehen und schließlich selbst herstellen und spielen durften. Ebenfalls aus der Sepik-Region stammten die ausgestellten menschlichen Überreste in Form von Knochen, Zähnen und Haaren. In ihrem Herkunftskontext wurden sie im Alltag mit sich getragen und dementsprechend teils offen gezeigt, waren dadurch aber für die Menschen nicht weniger besonders. Im Gegensatz zu diesen öffentlich sichtbaren Objekten und menschlichen Überresten wurden und werden die zentralaustralischen Tjurunga – zumeist flache, mit Zeichen versehene Steine oder Hölzer von hohem sakralen Wert – von denjenigen Menschen, die an sie glauben, als streng geheim angesehen.

Die Ausstellungsgestaltung des Berliner Studios TheGreenEyl übersetzte die Idee der verschiedenen Stufen des Zugangs zum Sakralen in ein experimentelles Konzept, das mit der Sichtbarmachung oder dem Verstecken von Objekten mithilfe unterschiedlicher Vitrinentypen spielte. So begegneten die BesucherInnen beim Betreten des Ausstellungsraums zunächst einer leeren Vitrine, die lediglich mit einem Schild bestückt war: „Objekt entnommen“. Darauf folgte eine schwarze, undurchsichtige Vitrine. Bei beiden verwiesen nur die Beschriftungen auf das vorzufindende Objekt – Tjurunga aus Zentralaustralien. Die schwarze Vitrine nahm Bezug auf das Vorhandensein der Objekte in den Museumsdepots und verwies spielerisch auf die Tatsache, dass nur die KuratorInnen wussten, was sich hinter den verdunkelten Scheiben verbarg. Dies verstanden wir als Referenz auf die bereits lange in musealen Diskursen diskutierte Frage der kuratorischen Autorität.

Den Musikinstrumenten aus der Sepik-Region begegneten die BesucherInnen zunächst durch eine offene Vitrine, in der nur die Klänge von Musikinstrumenten aus rituellen Kontexten zu vernehmen waren. Entsprechend den einzelnen Initiationsstufen ermöglichte die folgende Vitrine kurze Blicke auf die Musikinstrumente, die im nächsten Moment wieder hinter einer milchigen Glasscheibe verschwanden. Erst im letzten Schritt konnten die Instrumente in einer Videoprojektion, die Ausschnitte eines Initiationsrituals zeigte, vollständig gesehen und gehört werden.

Um die Ergebnisse einer das Projekt begleitenden Recherche-Reise in verschiedene australische Städte innerhalb der Ausstellung aufzugreifen, richteten wir zudem zwei Vitrinen ein, die, mit wechselnden Texten, Karten und weiteren Materialien bespielt, internationale Museumsdiskurse aufgriffen und historische und zeitgenössische Positionen kontextualisierten.

Wer entscheidet und wer nicht?

Der Ausstellung war die Frage inhärent, ob eine Integration der oftmals als Gegensätze empfundenen Ansätze von wissenschaftlichem Anspruch und einer Wertschätzung des Sakralen in Museumskontexten möglich ist. Um diese Frage in einem erweiterten Kontext zu diskutieren, wurde ein begleitender Workshop veranstaltet.

Das Projekt und der Workshop verhandelten insbesondere die Frage, wer darüber entscheidet, was gezeigt werden darf und was nicht, und sie brachten diese wichtige Debatte erneut ins Zentrum musealer Auseinandersetzungen. Unzureichend eingegangen wurde dabei auf aktuelle Sichtweisen jenseits des Gegensatzes zwischen profan/sakral. Auch fanden die Diskussionen darüber, was gezeigt und besprochen werden darf, nicht zwischen den BesucherInnen des Museums, den Menschen aus den Herkunftskontexten der Objekte und den KuratorInnen statt. Um zu einem solchen Prozess zu gelangen, der einen sowohl offenen (im Hinblick auf Transparenz der Möglichkeiten und Ziele) als auch geschützten Diskurs (im Hinblick auf oftmals sehr ungleiche Machtverhältnisse) ermöglicht, sind langfristige Kooperationen nötig. Diese müssen nicht nur angemessen personell und finanziell ausgestattet werden, sondern institutionell in einer Weise verankert sein, die Raum für Experimente und Scheitern zulässt. Eine solche Haltung, die Offenheit und Sensibilität im Hinblick auf ungleiche Machtverhältnisse voraussetzt, ist dem Humboldt-Forum langfristig für viele Bereiche zu wünschen.


Indra Lopez Velasco ist als wissenschaftliche Museumsassistentin in Fortbildung im Fachbereich Südsee und Australien und für das Humboldt-Forum im Ethnologischen Museum in Berlin beschäftigt.


Einen weiterführenden Text zu diesem Projekt finden Sie hier.