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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Objektbiografien / Positionen


Den Sammlungen auf den Zahn fühlen. Ein Plädoyer für mehr objekt- und sammlungshistorische Forschung

von Larissa Förster

1911 ließ der Kustos der Afrika-Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde, Bernhard Ankermann, auf einer Afrika-Karte die Sammelgebiete des Museums verzeichnen. Mit der dunkelsten Schraffur wurden diejenigen Regionen belegt, für die das Museum „ganz[e] oder nahezu vollständige Sammlungen“ zu besitzen glaubte. Die genannte Karte hängt in der Humboldt Lab-Ausstellung „Objektbiografien“ sinnfälligerweise neben einer Karte, auf der die deutschen Kolonien in Afrika markiert sind. Und siehe da: die Gebiete mit „ganz oder nahezu vollständige Sammlungen“ sind fast deckungsgleich mit den deutschen Kolonien in Afrika. Für die meisten anderen Gebiete diagnostizierte Ankermann lediglich „ziemlich gute“, „schlechte/lückenhafte“ oder sogar „keine oder fast keine Sammlungen“. Selten ist die irrsinnige koloniale Utopie einer vollständigen Abbildbarkeit bzw. „Sammelbarkeit“ der materiellen Kultur außereuropäischer Gesellschaften konziser in Wort und Bild gefasst worden.

Kluge Gegenüberstellungen wie diese visualisieren in „Objektbiografien“ die Grundzüge der Geschichte und Politik des ethnologischen Sammelns in einleuchtender und augenfälliger Weise. Mit der Präsentation dreier sehr unterschiedlicher Biografien von Objekten, die vom 19. Jahrhundert bis in die 1960er Jahre reichen, eröffnet die Humboldt Lab-Produktion einen wichtigen historischen Reflexionsraum – gerade durch die Platzierung vor dem oft kritisierten älteren Teil der Dahlemer Dauerausstellung „Kunst aus Afrika“, der die Objekte in ein dunkles historisches Nirgendwo taucht. Die Humboldt Lab-Ausstellung erweitert aber auch die Vorstellung davon, was ein Museum ist: Die Präsentation von Briefen, Inventarbüchern etc., in denen die ausgestellten Gegenstände vorkommen, erinnert daran, dass ein Museum nicht nur eine Sammlung von Artefakten, sondern auch eine Sammlung von klassifizierenden und interpretierenden Dokumenten und Texten über diese Dinge ist, die selbst Objektcharakter haben. Erst beides zusammen ergibt und erklärt die Wirkmacht (und Deutungshoheit) der Institution Museum. Zumal das Berliner Ethnologische Museum ja ein umfängliches, (fach-)historisch höchst interessantes Archiv besitzt.

„Objektbiografien“ setzt damit eine Perspektivierung der Dahlemer Bestände fort, wie sie in Bezug auf das Humboldt-Forum erstmals in der Installation „Der König und sein Thron“ in der Humboldt-Box erfolgte (2011). Auch dort stand eine Objektbiografie im Vordergrund, und zwar die Erwerbsumstände und der Weg des 1908 erworbenen Thronsessels des Bamum-Königs Ibrahim Njoya in die Berliner Sammlung. Zur Erinnerung: Der Thron König Njoyas, der in der Tat eine höchst interessante und nicht ganz unumstrittene Objektbiografie aufweist, steht zentral in der Dahlemer Dauerausstellung „Kunst aus Afrika“ – jedoch mit nur wenigen erläuternden Sätzen. Und auch der programmatischen Sonderausstellung „Das Humboldt-Forum im Schloss: Anders zur Welt kommen“ von 2009 genügten recht allgemein gehaltene Verweise auf die Gebrüder Humboldt und auf Adolf Bastian, um die Geschichte der Dahlemer Sammlungen zu thematisieren. Es ist also höchste Zeit, dass man sich in Dahlem die Mühe macht, die Bestände sammlungshistorisch genauer zu untersuchen – auch wenn, wie die Kuratorinnen der Humboldt Lab-Ausstellung „Objektbiografien“ zu Recht einräumen, viele Zusammenhänge von Erwerb, Verbringung etc. nicht mehr erhellt werden können. Objektbiografische und sammlungshistorische Ansätze sind im wissenschaftlichen Diskurs seit den Veröffentlichungen von Arjun Appadurai „The Social Life of Things“ (1988) und Igor Kopytoff „The Cultural Biography of Things“ (1986) zwar bereits so etabliert, dass KritikerInnen schon eine Rückbesinnung auf Fragen der Materialität und Bedeutungskonstruktion anmahnen. Doch können diese Ansätze eben auch an jüngste Debatten anschließen, seien sie zum Thema „Agency“ der Dinge, zur Akteur-Netzwerk-Theorie oder zu nicht-westlichen Ontologien. Damit können sie gleichzeitig Ausgangspunkt von weiterführenden theoretischen Fragestellungen sein, wie sie derzeit in der Ethnologie intensiv diskutiert werden.

Fallstudien wie in der Ausstellung „Objektbiografien“ sollten meines Erachtens der Anfang einer breiter angelegten Sammlungsgeschichtsforschung sein, die die Dahlemer (und andere) Sammlungen in größere historische Zusammenhänge stellt. So könnten etwa Verbindungen zu anderen ethnologischen Museen aufzeigt werden. Zum Beispiel gibt es – wenig bekannt – auch im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum einen Sessel von König Njoya oder im Palastmuseum in Foumban (Kamerun) weitere Bamum-Throne. Ebenfalls könnte eine solche Forschung Verbindungen zwischen verschiedenen „Museumsgattungen“ herstellen – man denke etwa an historische oder Naturkundemuseen, deren um 1900 gesammelte Konvolute oft auf dieselben Sammler bzw. Sammelkampagnen zurückgehen. Schließlich könnten sie Verbindungen zu Sammlungsbeständen gleicher Herkunft in anderen Ländern bzw. sogar in den Herkunftsländern selbst (deren Nationalmuseen ja meist auf koloniale Gründungen zurückgehen) systematischer erhellen.

Man würde einem Museum wie dem Ethnologischen in Dahlem wünschen, es hätte Zeit, eine solch gründliche Historisierung und Kontextualisierung der Sammlungen auf breiter Basis durchzuführen – und zwar bevor die Objekte auf der Museumsinsel ins Rennen um die schönsten Kulturschätze Berlins und der Welt geschickt werden. Hinter den Objekten, die bisher oft als Repräsentanten einer Kultur, Ethnie oder einer bestimmten kulturellen Praxis wahrgenommen werden, würden so die komplexen kolonialen und postkolonialen Verflechtungsgeschichten sichtbar, aber auch die Akteure und Beweggründe für ihre Verbringung von einem Ort an den anderen sowie die Aneignung und Interpretation, die Ab- und Aufwertung und schließlich auch die auratische Aufladung außereuropäischer Objekte. Kollaborativ angelegte Forschungs- und Rechercheprojekte, wie etwa im vorliegenden Fall mit dem beninischen Kunsthistoriker Romuald Tchibozo, führen dabei bisweilen zu völlig neuen Bewertungen oder sogar „Wiederentdeckungen“ bisher wenig beachteter Sammlungsbestände.

Damit wird auch klar, dass sammlungshistorische Forschung sehr viel mehr ist als nur eine besonders gründliche Inventarisierung und Aufarbeitung der Bestände. Sie sollte ebenso wenig bloße „Provenienzforschung“ sein, die Vorbesitzer ermittelt, Rechtmäßigkeit des Erwerbs klärt und als Vorarbeit für eventuelle Restitutionsverhandlungen dient. Vielmehr ist sie von zentraler Bedeutung für die kritische Reflexion der Institution „ethnologisches Museum“ und für die Einbettung ethnologischer Bestände in koloniale und postkoloniale globale Verflechtungsgeschichten. Dass sich aus einer solchen historischen Einbettung am Ende auch neue Bezüge, Netzwerke und Bedeutungen ergeben, versteht sich von selbst – für die Sammlungs- und Ausstellungspraxis eines Museum kann dies durchaus weg- und zukunftsweisend sein.


Dr. Larissa Förster ist Ethnologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Internationalen Kolleg Morphomata der Universität zu Köln sowie Sprecherin der AG Museum der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde. Sie arbeitet derzeit über die Geschichte ethnologischer Museen und Sammlungen sowie transnationale Restitutions- und Repatriierungsverfahren. Die Ausstellungen „Namibia – Deutschland: eine geteilte Geschichte. Widerstand, Gewalt, Erinnerung“ (Köln und Berlin, 2004/2005) und „Afropolis: Stadt, Medien, Kunst“ (Köln und Bayreuth 2010/2011) hat sie ko-kuratiert.


Fehlende Objekte und wissenschaftliche Zusammenarbeit: der Fall der Bocios

von Romuald Tchibozo

Der Bocio, ein Figurentypus, dessen Herstellung in Süd- und Zentralbenin verbreitet war, bot Gelegenheit für die Aufnahme einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Ethnologischen Museum in Berlin und der Universität von Abomey-Calavi. Diese Art der Kooperation zwischen Deutschland und Benin ist nicht neu, jedoch weiterhin selten. In diesem Fall bestand eine echte Notwendigkeit. Ich werde den Entstehungsprozess im Folgenden aufzeigen.

Während meiner Dissertationsrecherchen nahm ich Kontakt zum Ethnologischen Museum Berlin auf, um meine Informationen zu vervollständigen. Mein Projekt der Beschäftigung mit der Rezeption der zeitgenössischen afrikanischen Kunst in Deutschland erforderte zunächst, die Rezeption der „traditionellen“ Kunst zu verstehen. Das Museum war die Stelle, von der ich vermutete, dass ich dort diesen Prozess nachvollziehen könnte. Doch mein Antrag, im Depot zu forschen, wurde abgelehnt. Als ich nun 15 Jahre später wegen eines weiteren Forschungsprojekts nach Deutschland zurückgekehrt war, bat mich dasselbe Museum um meine Mitwirkung an einem Ausstellungsprojekt zur Biografie von Objekten aus Afrika – das Museum öffnet sich. Was sind die Gründe für diese Öffnung? Worum geht es bei der Zusammenarbeit? Welche Ergebnisse haben wir erzielt? Wie ist diese wissenschaftliche Zusammenarbeit einzuschätzen?

Problematik und Ziel der Zusammenarbeit

Im Jahr 2013 schlug David Gnonhouévi, einer meiner Studenten, ein Thema für seine Promotion vor. Bedauerlicherweise stellte sich letztlich heraus, dass er dieses Thema nicht bearbeiten konnte. Das Thema lautete: L’art sculptural Agonlin: essai d’analyse stylistique: Contribution à une meilleure lisibilité de l’histoire à partir de l’étude du Bocio et du masque Guèlèdé (Skulpturale Kunst aus Agonlin: Versuch einer stilistischen Analyse: Beitrag zu einem besseren Verständnis der Geschichte ausgehend von der Untersuchung des Bocio und der Guèlèdé-Maske). Für eine solche Untersuchung ist ein Korpus erforderlich, das eine Betrachtung über einen langen Zeitraum, mindestens 25 bis 30 Jahre, einer regelmäßigen Produktion ermöglicht – ein solches Korpus war nicht vorhanden.

In Agonlin wäre eine solche fundierte Stiluntersuchung prinzipiell möglich, da dort eine lange Tradition der Skulptur besteht. Da die Region nicht weit entfernt von Abomey liegt, dürfte der dortige Königshof Stücke aus Agonlin bezogen bzw. in Auftrag gegeben haben. Aus diesem Grund hatte ich David vorgeschlagen, einen möglichen Einfluss des Königshauses auf die Gestaltung der Figuren in seine Untersuchung einzubeziehen. Doch auch bei mehreren Aufenthalten in der Region Agonlin konnten er und ich keine weiteren Bocios finden, sondern erfuhren immer wieder, dass ehemals vorhandene Figuren aus verschiedenen Gründen fehlten: Im Zuge der Christianisierung wurden die Hersteller und die Figuren dämonisiert, viele Bocios zerstört. Während der Kolonialisierung waren viele Figuren verschwunden oder die neuen Herren hatten direkt oder indirekt Einfluss auf die Produktion genommen – da es innerhalb der zum Christentum konvertierten Gemeinschaften keine Nachfrage mehr nach den traditionellen Bocios gab, richteten sich deren Hersteller nach den Wünschen der Kolonialisten und der Afrikareisenden, um Geld zu verdienen. Seit der Unabhängigkeit hat die Herstellung von Bocios abgenommen, zumal während des Sozialismus, als die offizielle Ausübung der traditionellen Kulte untersagt war.

Keine Stelle konnte mit einem ausreichenden Korpus aus Agonlin helfen, nicht einmal das Ethnografische Museum von Porto-Novo. Das Museum besitzt zwar zahlreiche Bocios, doch sie stammen aus dem gesamten Gebiet, in dem diese Figuren hergestellt werden – und das sich bis Togo erstreckt. Da teilweise die genauen Objektdaten fehlen, konnte kein ausreichend großes Korpus von sicher aus Agonlin stammenden Figuren zusammengestellt werden. David gab sein Thema auf.

So fehlen in Benin die Objekte für die Forschung. Und sie fehlen in den dortigen ethnografischen Museen. Was tun? Eine kleine Sammlung von Bocios befindet sich in Berlin. Durch die Organisation der Ausstellung „Objektbiografien“ und den Wunsch des Berliner Museums nach einer Zusammenarbeit zwischen WissenschaftlerInnen aus Deutschland und Benin konnten die Studien zu den Bocios vorangetrieben werden. Es konnte zugleich aber auch die Kooperationssituation selbst reflektiert werden.

Methodik und Entstehung der Durchführung

Die Durchführung des Projekts erforderte die Arbeit mit verschiedenen Methoden. Hilfreich waren Diskussionen, Workshops, Mailverkehr, Telefongespräche und eine Recherchereise nach Benin. Für jede Phase wurde eine Methodik beziehungsweise eine Synthese von Methoden gewählt. Gespräche wurden zunächst mit Verena Rodatus geführt und wir entwickelten gemeinsam den Gedanken einer „Dekolonialisierung“ der Forschung; etwas später kam Margareta von Oswald, die Kokuratorin des Projekts, hinzu. Nach einem ersten gemeinsamen Besuch im Depot des Ethnologischen Museums Berlin beschlossen wir, zu den sogenannten Bocios zu arbeiten. Es stellte sich heraus, dass das Museum einige Stücke besitzt, die in den 1960er Jahren produziert wurden, vermutlich für Touristen und Sammler. Sie warfen die Frage nach ihren Vorgängern auf – und wurden für uns der Auslöser dafür, uns gemeinsam dem Thema der fehlenden Objekte vor Ort zu widmen. Die Hypothese, dass Objekte aus unterschiedlichen Zeiten heutzutage vor Ort fehlen, erörterten wir in den anschließenden Workshops.

So kam der Gedanke auf, die Geschichte des Studenten David Gnonhouévi zum Thema zu machen, aber auch die Frage, was das „Fehlen der Objekte“ in Benin bedeutet. Wir beschlossen, zusammen eine Forschungsreise nach Benin zu unternehmen und darüber einen Film zu drehen. Dieser sollte ein Zeugnis zur Problematik der „fehlenden Objekte“ sein, etwa für die Tatsache, dass es für das Studium der Objekte notwendig ist, europäische Museums- und Privatsammlungen zu besuchen. Die Recherchereise vom 5. bis 11. Dezember 2014 führte von Cotonou über Porto-Novo, Agonlin nach Abomey und wieder zurück nach Cotonou. Zuvor fanden jedoch zwei Workshops mit unseren Kolleginnen Verena, Margareta und Anna Lisa Ramella, unserer Filmerin, statt. Der erste Workshop beschäftigte sich mit dem Konzept der Ausstellung, Ausschnitten von Filmaufnahmen und der Funktion des Films in der Ausstellung. Beim zweiten Workshop wurde über das Thema, die Problematik der Recherche zu den Bocios und das bisherige Ausbleiben einer wissenschaftlichen Debatte in Benin diskutiert. David stellte die zu besuchenden Orte vor und gab einen Überblick über die Kontaktpersonen in Agonlin, Abomey und Porto-Novo. Darüber hinaus erstellten wir einen Interviewleitfaden für die filmische Recherche, in dem wir nach dem ursprünglichen Charakter der Bocios fragten und zugleich der Vielzahl der Religionen in den Regionen, in denen die Untersuchungen durchgeführt werden sollten, möglichst gerecht werden wollten. Folgende Fragen wurden zudem aufgeworfen: Worin bestehen die Ziele des Films? Was wollen wir mit dem Film zum Ausdruck bringen? An wen richtet sich der Film in Berlin? Könnte er in Benin gezeigt werden?

Die Ergebnisse schon der Gespräche an den ersten Reiseetappen waren aufschlussreich und bestätigten insgesamt die Wahrnehmung, dass die Bocios aus Agonlin weitgehend verschwunden sind. Die Station in Porto-Novo war in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zunächst gab es Überraschungen beim Interview mit dem Künstler Kouas: Er besitzt einige schöne Bocio-Figuren und nimmt sie in seine Arbeiten auf. Wir erfuhren zudem, dass es eine breite Typologie von Bocios gibt. Der Besuch des ethnografischen Museums bestätigte diese Feststellung. Auffällig war, dass das Museum hauptsächlich große Bocio-Figuren besitzt, was die Hypothese bestätigt, dass die kleineren, transportablen Bocios entwendet wurden.

In Agonlin wurde das gleiche Interviewverfahren mit vielen Gesprächspartnern durchgeführt. Erneut stießen wir in den Erzählungen unserer Interviewpartner auf die bereits genannten Gründe für das Verschwinden der Stücke: Plünderung, Verkauf des Familienbesitzes, Zerstörung der Objekte durch Pfarrer und die systematische Verdrängung des Glaubens an diese Figuren. Auch hier kamen wir zu der Schlussfolgerung: Zur Erstellung einer stilistischen Untersuchung von Bocios der Region fehlt ein ausreichendes Korpus dieses speziellen Objekttyps.

Die letzte Station in Abomey war ebenfalls interessant. Gimassè Gabin, einer der Gesprächspartner, erwies sich mit seiner umfangreichen und berührenden Privatsammlung, die Aufschluss über die Produktion in der Region gibt, als wertvolle Quelle für die Untersuchung. Es fehlen jedoch auch hier Bocios aus Agonlin, um ein Forschungskorpus zusammenstellen zu können. Monique, eine Hotelbesitzerin in Abomey, öffnete uns ebenfalls ihre erstaunlich vielfältige Sammlung.

Am 11. Dezember 2014 fand im Anschluss an die Reise ein Symposium auf dem Campus der Universität Abomey-Calavi statt. Dabei wollten wir unsere Gedanken über die Bocios als „fehlende Objekte“ mit den Studierenden der Kunstgeschichte diskutieren. Einige meiner Studenten berichteten über ihre Recherchen an verschiedenen Orten, dies war eine interessante Nachbereitung zu unserer Reise.

Perspektive der wissenschaftlichen Zusammenarbeit

Grund für die Zusammenarbeit war vor allem die Frage, wie die Forschung „dekolonialisiert“ werden kann. Meine Kolleginnen sind junge Wissenschaftlerinnen, die diese Frage im Kontext des Museums in Berlin stellen. Obwohl das Museum sich anscheinend zu öffnen beginnt und vielleicht auch ein Generationenwechsel dort stattfindet, klingt die Forderung nach der Dekolonisierung ziemlich utopisch. Die Haltung des afrikanischen Wissenschaftlers hierzu mag nach reinem Vorwurf oder Ablehnung klingen. Doch das entspricht nicht der Wahrheit. Vielmehr habe ich den Eindruck gewonnen, dass wir sehr gut aufpassen müssen, um nicht aneinander vorbeizureden. Ein Grund dafür ist die Unkenntnis der afrikanischen Realität bei vielen unserer KollegInnen im Norden. Aus meiner Sicht besteht hier die Gefahr, dass sie in alten Klischees verharren, als gäbe es nicht längst eine eigene Wissenschaftslandschaft in Afrika. Ein weiterer, besonders schwerwiegender Grund ist aber auch die Asymmetrie der Wissenschaftsstrukturen, deren Arbeitsweise sich seit der Kolonialisierung auf beiden Seiten nur langsam an die neuen Realitäten anpasst.

Daher bestehen weiterhin Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit. Doch die kleine Erfahrung, die wir gemeinsam gemacht haben, ist ein großer Schritt. Die Besonderheit dieser Zusammenarbeit bleibt das gemeinsame Interesse am Thema der Reise nach Benin. Nun ist es wichtig, die gleichberechtigte Zusammenarbeit fortzusetzen, um die Ergebnisse für beide Seiten fruchtbar werden zu lassen, also die gewonnenen Informationen genau zu erfassen und zu reflektieren. Nur so können auch die Klischees über die verschiedenen kulturellen Gemeinschaften allmählich aufgelöst werden. Auch in größerem Maßstab muss es eine Weiterentwicklung geben. Die Forschungsthemen müssen abgesprochen werden und die wissenschaftlichen Interessen und Zuständigkeiten aller Parteien berücksichtigen.

Für mich ist es bereits ein wichtiger Schritt, dass die Probleme, auf die ich vor zehn Jahren in Berlin gestoßen bin, nun selbst zum Gegenstand gemacht werden. Sicherlich sind noch viele weitere Probleme zu lösen, doch das ist nicht Aufgabe dieses Artikels.

Übersetzung aus dem Französischen von Corina von Trotha


Dr. Romuald Tchibozo promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema „Art and Arbitrary: a study of the African contemporary art reception in Western, the German case from 1950 to the present day“. Heute ist er Professor für zeitgenössische Kunst sowie kulturelle internationale Beziehungen an der Universität von Abomey-Calavi in Benin. Zudem gibt er Kurse zur Einführung in die Kunstgeschichte am Regional Center for cultural Action of Lomé. Seine jüngsten Forschungen widmen sich der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst in Benin sowie verschiedenen Fragen der Praxis von Kunstgeschichte. 2013/14 war Tchibozo Fellow im Berliner Forschungsprogramm „Art Histories & Aesthetic Practices – Kunstgeschichte und ästhetische Praktiken“.


„Abwesenheit von Objekten aus dem Kameruner Grasland: Eine Meinung“, ein in der Ausstellung ausliegender Text von Mathias Alubafi, kann hier heruntergeladen werden:

Alubafi: Abwesenheit von Objekten (PDF)