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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Breaking Mesoamerican Codes

von Elke Ruhnau

Am 29. und 30. Januar 2015 fand der interne ExpertInnenworkshop „Breaking Mesoamerican Codes“ in den Museen Dahlem statt, der sich in Vorträgen, Gesprächen und Rundgängen mit der Vorbereitung auf das Ausstellungsmodul „Grafische Kommunikationssysteme in Mesoamerika” im Humboldt-Forum befasste.

Tag Eins: Vorstellung von Forschungsergebnissen

Die Direktorin des Ethnologischen Museums Viola König und die Kustodin der Mesoamerika-Sammlung Maria Gaida eröffneten den Workshop mit einem Bericht über den aktuellen Stand der Planungen für das Humboldt-Forum und insbesondere der Konzeption der Mesoamerika-Ausstellung, deren Schwerpunkte graphische Kommunikationssysteme und das rituelle Ballspiel sein werden. Die Schriftzeugnisse aus der vorspanischen Epoche auf den Ausstellungsobjekten zeigen ikonographische und Schriftsysteme, die noch nicht alle hinlänglich verstanden werden, und für die das Ethnologische Museum keine ausgewiesenen SpezialistInnen hat. Daher wurden drei Fachkollegen eingeladen, im Rahmen des Workshops ihre neuesten Forschungsergebnisse über mesoamerikanische Schriftsysteme vorzustellen und ihr Expertenwissen in die Konzeption der Ausstellung einfließen zu lassen.

Marc Zender von der Tulane University in New Orleans führte zunächst grundsätzlich in die Problematik von Erforschung und Verständnis von Schriftsystemen weltweit und insbesondere in Mesoamerika ein. Danach wandte er sich den Beziehungen verschiedener mesoamerikanischer Schriftsysteme untereinander zu. Er diskutierte Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten auf der Ebene graphischer Elemente sowie thematischer Schwerpunkte von Texten. Außerdem ging er auf die mögliche Verwandtschaft von Schriftsystemen ein.

Javier Urcid von der Brandeis University in Waltham, Massachusetts stellte zunächst die Chronologie und regionale Verteilung sowie charakteristische Merkmale von Schriftsystemen in Mesoamerika vor. Er sprach über die Dimensionen des Konzepts der Entzifferung und über die Funktion von Schrift u.a. in der Wahrsagerei, bei der Schaffung von Identität, der Aufrechterhaltung von territorialer Kontrolle und Hegemonie. Danach ging er näher auf die zapotekische Schrift ein, deren Entwicklung und Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte er skizzierte. Texte in zapotekischer Schrift sind häufig in Grabkammern zu finden, wo sie Paraphernalien von Ritualen zu Totengedenken und Ahnenverehrung waren.

Albert Davletshin von der Russian State University for the Humanities in Moskau berichtete über neueste, kontrovers diskutierte Forschungsergebnisse zu Staat, Gesellschaft und Schrift von Teotihuacan. Zunächst gab er einen Abriss der Debatten, die über den staatlichen Aufbau und das Herrschaftssystem von Teotihuacan geführt werden sowie über die Frage, ob Wand- und Vasenmalerei in erster Linie Kunstwerke oder Schriftzeugnisse seien. Danach zeigte er, welche Elemente in der Wand- und Vasenmalerei ikonographische Merkmale von Herrschern und anderen hohen Würdenträgern sind und identifizierte wieder andere Elemente als Glyphen eines Schriftsystems, u.a. ein Element, das als Teil des charakteristischen Kopfputzes eines Herrschers dessen Titel wiedergibt.

Am Abend wurden im Ethnologischen Museum zwei Filme des Dokumentarfilmers David Lebrun aus Los Angeles gezeigt. „Dance of the Maize God“ (2014) thematisiert das große Ausmaß an Raubgrabungen im guatemaltekischen Mayagebiet, aber auch die polychrom bemalte Keramik, die bevorzugte Beute der Raubgräber, sowie die Aufschlüsse, die Vasenmalereien über Mythologie und höfisches Leben der Maya gewähren. Im Anschluss wurde der mehrfach ausgezeichnete Film „Breaking the Maya Code“ (2010) über die Entzifferung der Mayaschrift gezeigt.

Die Podiumsdiskussion zum ersten Film, in die auch das Publikum einbezogen war, wurde von Viola König geleitet, und als DiskutantInnen nahmen teil: Regisseur David Lebrun, der Spezialist für Maya-Epigraphie Marc Zender, Margarete van Ess, wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts und Archäologin in einer besonders von Raubgrabungen betroffenen Region sowie die Dokumentarfilmerin Carola Wedel (u.a. "Raubgut und Beutekunst"). Zentrale Themen der Diskussion waren der enorme Schaden, den Raubgrabungen verursachen, und der Umgang von Museen und Forschung mit Objekten, die aus Raubgrabungen stammen. Während Konsens darüber herrschte, dass Museen solche Objekte nicht erwerben sollen, herrschte Uneinigkeit, ob die Forschung die Informationen, die sie beinhalten, nutzen oder ignorieren soll.

Tag Zwei: Datierung und Interpretation von Objekten

Am zweiten Tag des Workshops fanden mit den drei Referenten des Vortags sowie Viola König und Maria Gaida ExpertInnengespräche zu ausgewählten Objekten statt, die für das Humboldt-Forum vorgesehen sind. Dabei konnte eine Reihe von Stücken erstmalig datiert bzw. bisherige Datierungen korrigiert werden, im Falle einiger Objekte wurde ihre Funktion geklärt. Einige bildliche und ikonographische Darstellungen wurden erstmals interpretiert oder erfuhren eine Neuinterpretation. Für andere Schriftzeugnisse, insbesondere der zapotekischen Schrift, konnten in der Diskussion Lesungen angeboten werden, auch wenn diese z.T. noch tentativ sind. Besonders hervorzuheben ist hier zum einen ein Steinmonument aus dem Hochland von Guatemala, das bisher als Fragment einer Maya-Stele aus dem 9. Jahrhundert n.Chr. angesprochen wurde. Tatsächlich wurde es bereits ca. 550 n.Chr. hergestellt. Es könnte aus einer Raubgrabung stammen, denn es ist Teil des Untersatzes für ein Räuchergefäß, dessen Schauseite abgeschnitten wurde, um sie als „Stele“ zu verkaufen. Dafür sprechen sowohl die Aushöhlung an der Oberseite des Monuments, in die ursprünglich das Räuchergefäß gestellt wurde, als auch die auf jeder der beiden Schmalseiten angebrachte Kolumne von Glyphen der Mayaschrift.

Weiter ist eine Reihe von Stelen und Steinplatten der zapotekischen Kultur in Oaxaca zu nennen, die bildliche und ikonographische Darstellungen sowie Texte in der zapotekischen Schrift tragen. Sie alle gehörten zum Ritualkomplex von Bestattung und Ahnenverehrung. Die Datierung ergab, dass sie in einem Zeitraum von 500 Jahren hergestellt worden sind. Das älteste Stück entstand zwischen 400 und 550 n. Chr., das jüngste zwischen 800 und 900 n. Chr. Die Monumente waren ursprünglich an Eingängen und Wänden von Grabkammern angebracht und bildeten zusammen mit Wandmalereien und Figurengefäßen deren spezielles Bildprogramm. Die Abbildungen und Texte auf den Stelen und Steinplatten lassen erkennen, dass Grabkammern nicht nur letzte Ruhestätten von Verstorbenen waren, sondern auch Orte verschiedener Rituale der Ahnenverehrung. So wird auf einer Stele ein Mann gezeigt, der durch eine Glyphe im Kopfputz mit Namen genannt wird. Der dazugehörige Glyphentext deutet darauf hin, dass er für die alljährlichen Feiern zum Gedenken an den Ahnherrn verantwortlich war.

In der Diskussion über zwei mit Hieroglyphen verzierte Steinblöcke waren sich die ExpertInnen einig über die späte zeitliche Einordnung (14./15.Jh., neo-Xochicalco) und über deren Funktion als Opferaltäre.

Abschließend bleibt festzustellen, dass der ExpertInnenworkshop „Breaking Mesoamerican Codes“ sehr ertragreich war. Die Vorträge über neueste Forschungsergebnisse wurden lebhaft diskutiert, und die ExpertInnengespräche zu ausgewählten Objekten erbrachten zahlreiche neue Einsichten und Interpretationen.


Elke Ruhnau ist Altamerikanistin und Lehrbeauftragte für Klassisches Aztekisch am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.


Link Programm Workshop „Breaking Mesoamerican Codes“ (PDF)

Der ExpertInnen-Workshop „Breaking Mesoamerican Codes“ am 29. und 30. Januar 2015 statt in den Museen Dahlem statt.

TeilnehmerInnen:
Albert Davletshin (Russian State University for the Humanities, Moskau)
Maria Gaida (Ethnologisches Museum, Berlin)
Viola König (Ethnologisches Museum, Berlin)
David Lebrun (Nightfirefilms, Los Angeles)
Javier Urcid (Brandeis University, Waltham, Massachusetts)
Margarete van Ess (Deutsches Archäologisches Institut)
Carola Wedel (Dokumentarfilmerin, Berlin)
Marc Zender (Tulane University, New Orleans)

Konzept des Workshops: Maria Gaida, Viola König